Mehr Geld für Bürgerhaushalt
Bezirksbürgermeisterin ist zufrieden mit Berlins erstem Bürgerhaushalt. Nicht nur die BürgerInnen, auch andere Städte sind an dem Modell interessiert. Doch die Bezirke selbst reagieren zurückhaltend
VON MARTIN KAUL
"Jetzt wird es darauf ankommen, dass die Politik diese Vorschläge ernst nimmt", sagt Jan Wolframm. "Denn natürlich werden die Bürgerinnen und Bürger nun kritisch betrachten, ob die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ihren Versprechungen nachkommt." Jan Wolframm ist einer von zehn gewählten Vertrauensleuten, die im Auftrag der LichtenbergerInnen während der letzten Monate das Pilotprojekt Bürgerhaushalt intensiv verfolgt haben. Am Samstag gab auch er - neben 300 weiteren LichtenbergerInnen - seine Stimme ab für die Vorschläge, die in den letzten Monaten erarbeitet wurden.
Was den weiteren Prozess angeht, ist Wolframm optimistisch: "Die Politiker sind uns bislang wirklich auf Augenhöhe begegnet. Das wird auch so bleiben. Etwas anderes könnten sie sich nicht leisten." Einige Änderungen wünscht er sich dennoch: "Es gab zahlreiche Vorschläge, die den formalen Kriterien des Bürgerhaushalts nicht entsprochen haben. Um auch sie zu erfassen, muss der Bürgerhaushalt im kommenden Jahr ausgeweitet werden."
Mit dieser Forderung steht er nicht allein. Zwar wurde zugesichert, dass auch diese Vorschläge, die nicht explizit in den Forderungskatalog aufgenommen werden konnten, im Einzelnen geprüft werden. Doch auch der Projektleiter des Bürgerhaushalts, Ernst-Ulrich Reich, möchte den Bürgerhaushalt in den nächsten Jahren für solche Vorschläge öffnen (siehe unten). Lichtenbergs Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (PDS) sagte: "Das bedeutet auch, dass wir mehr Geld zur Verfügung stellen werden."
Insgesamt wird der Bürgerhaushalt rundum positiv bewertet. "Die Mobilisierung der Bürger war erfreulich groß, die Teilnehmerstruktur repräsentativ, und wir konnten sehr viel praktische Bürgervernunft beobachten", sagte Helmut Klages, Professor an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, der das Projekt evaluiert. Positive Resonanz erhält der Bezirk nicht nur intern, sondern auch aus zahlreichen deutschen Großstädten.
So sei Emmrich unter anderem im Gespräch mit VertreterInnen der Städte Dortmund, Frankfurt am Main und Hannover, die allesamt Interesse am Lichtenberger Modell des Bürgerhaushalts bekundet hätten. Auch aus Madrid habe sie eine Anfrage erhalten. Damit erfährt das Projekt, das in dieser Form einmalig in Deutschland ist, breite Anerkennung von Seiten der Beteiligten, ehe die Pilotphase überhaupt beendet ist.
"Einzig die Berliner Bezirke sind weitaus zurückhaltender mit ihrem Interesse", sagte Emmrich. Hier wolle sie nach Abschluss der Pilotphase für das Modell werben. Dass der Bürgerhaushalt in Lichtenberg fortgeführt wird, scheint indes klar. Emmrich erwartet, dass noch vor den Berliner Wahl fraktionsübergreifend der Beschluss gefasst wird, den Bürgerhaushalt fortzusetzen. "Es wäre hirnrissig, das nicht zu tun."
taz Berlin lokal vom 23.1.2006, S. 22, 99 Z. (TAZ-Bericht), MARTIN KAUL
http://www.taz.de/pt/2006/01/23/a0221.1/text